Restaurierung eines Transistorverstärkers aus den 60er / 70er Jahren.

Ich hatte bei einer E-Bay Auktion einen überholungsbedürftigen Transistorverstärker gefunden, der aufgrund der verwendeten Bauteile vermutlich aus den Anfängen der Transistorära stammen musste.

Das Gerät wurde als Eigenbau mit kleinen Defekten beschrieben.

Auf den Bildern war zu erkennen, dass es sich um eine Quasikomplementärendstufe mit geregeltem Netzteil handelt.
So etwas haben damals auch die renommierten Hersteller so gemacht.
So ist z.B. auch der Dynaco ST 120 aufgebaut.

Aufgrund des günstigen Preises konnte ich nicht widerstehen das Teil zu ersteigern.

Bei Ankunft habe ich zunächst eine Sichtkontrolle durchgeführt:

- Die Verschaltung des Lautstärkepotis war mehr als merkwürdig, ein zusätzlicher Trimmer war hinten aufgelötet.
- Die Transistorbestückung der Endstufen war unterschiedlich: Links: 2N3055 Rechts: PP8838 ???
- Der Ladekondensator im Netzteil ist ausgelaufen.
- Etwas Flugrost an einigen Bauteilen
- In Reihe zu den Lautsprecherausgängen sind Glühlämpchen geschaltet, die wohl als Ersatz für Sicherungen dienen sollen (Kaltleiter?)

Der Aufbau ist ansonsten ordentlich auf einem Aluwinkel, wie man es von Röhrenverstärkern kannte.
Die Verschmutzungen hielten sich in Grenzen, guter Allgemeinzustand.

Bilder vom Originalzustand:

Originalzustand Vorderseite Ausgangselkos
Lämpchen
Lautstärkepoti Kaltgerätebuchse Endtransistoren PP8838 Linearregler
Ich plante folgendes zu tun:

- Zerlegen des Verstärkers um eine Grundreinigung durchzuführen.
- Austausch der offensichtlich defekten Bauteile.
- Tausch aller Elkos, da sie doch schon ein beachtliches Alter haben.
- Austausch der Endstufentransistoren der rechten Endstufe, da zu den PP8838 kein Datenblatt zu finden ist.
- Überprüfung der Schaltung, zeichnen eines Schaltplanes.
- Wiederinbetriebnahme incl. Ruhestromeinstellung.

Teil 1, das Netzteil:
Das Netzteil ist recht simpel aufgebaut.
Die gleichgerichtete Spannung wird durch eine Z-Diode stabilisiert und mit zwei Transistoren verstärkt.
Das ist keine besonders gute Regelung, aber zum Entbrummen der Endstufe völlig ausreichend.
Das Netzteil liefert am Ausgang bei Leerlauf 55V, die Regelung arbeitet also scheinbar noch einwandfrei.
Der Leistungstransistor (2N3055) wurde mit zu großen Isolierscheiben befestigt, weshalb die Befestigungslöcher vergrößert wurden.
Ich habe den Transistor und die Befestigung ersetzt.
Alle Elkos im Netzteil werden getauscht, obwohl die kleineren scheinbar noch OK sind.

Auf der Netzteilplatine befindet sich noch eine zweite 20V Regelschaltung, die scheinbar für einen Vorverstärker vorgesehen war.
Diese findet keine Verwendung.

In dem gesamten Gerät befindet sich im Originalzustand keine Sicherung!
Zunächst bekommt das Gerät eine 0,8A Netzsicherung als absolutes Minimum spendiert.

Lineargeregeltes
Netzteil
ausgelaufener Elko

Teil 2: die Verstärkerbausteine:
Die Verstärkerbausteine scheinen in ihrem jetzigen Zustand grundsätzlich zu funktionieren.
Sie sind offenbar ein Bausatz einer Berliner Firma, die längst vom Markt verschwunden ist.
Dennoch werden alle Elkos getauscht sowie in der rechten Endstufe die PP8838 durch einen Satz 2N3055 von Siemens ersetzt.
Hierbei hat es sich herausgestellt, dass bei der Montage keine Wärmeleitpaste verwendet wurde.
Also wurde auch der linke Verstärkerbaustein zerlegt und Wärmeleitpaste aufgebracht.
Auch hatte bei beiden Modulen der Transistor zur Ruhestromregelung keinen thermischen Kontakt zu dem Kühlkörper.
Das Potentiometer zur Ruhestromregelung wurde ebenfalls durch einen moderneren (isolierten) Typ ersetzt.
Ich dachte erst, der Erbauer hätte die Widerstände zur Stromgegenkopplung durch Drahtbrücken ersetzt.
Es handelt sich hierbei allerdings um Widerstandsdraht, der es bei der verwendeten Länge auf ca. 0,1 Ohm bringt.
Das ist bei dieser Endstufenschaltung eigentlich etwas wenig, daher werden sie durch 0,33 Ohm Keramikwiderstände ersetzt.

Das Lämpchen hinter dem Ausgangselko entfällt ersatzlos und wird eventuell einmal durch eine Feinsicherung ersetzt.
Solange der Ausgangselko keinen Kurzschluss bekommt, besteht für die Boxen kein zusätzlicher Schutzbedarf.

Die Schaltpläne:

Verstärker (ein Kanal) Netzteil

Teil 3: Sonstiges:
- Alle Netzspannungsführenden Teile werden isoliert bzw. abgedeckt.
- Austausch des Lautstärkepotis, da es offensichtlich defekt ist.

 

Der Verstärker treibt seit der abgeschlossenen Restaurierung zwei HECO Lautsprecherboxen an meinem PC.

 

Update 14.10.2020:

Nach Jahren tadelloser Funktion hat der Verstärker heute mein Büro eingeräuchert.

Ein Grund warum man Geräte nicht unbeobachtet betreiben sollte.
Der Widerstand hatte bereits den darüberligenden Kabelbaum in Brand gesteckt was ich ablöschen musste.
Ohne Eingreifen wäre es unter Umständen zu einem Zimmerbrand gekommen.

Die Fehlerursache: Vermutlich war der Treiber - Transistor Q2 defekt gegangen und hat die Z-Diode sowie den 100 Ohm Widerstand mitgenommen.
Nach dem Tausch der Komponenten funktioniert der Verstärker wieder einwandfrei!

 

 

 

 

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