RFT Strahlungsmessgerät 20026

Ich möchte hier ein Stück alter Labortechnik vorstellen.
Für Freunde antiker Technik, insbesondere Elektronik, ist das sicherlich ganz interessant!

Es handelt sich um ein recht komplexes Strahlungsmessgerät für Laborzwecke.
Hersteller des Gerätes war "VEB RFT Messelektronik Otto Schön" in Dresden.
Da es sich um ein Professionelles Laborgerät handelt, erwarte ich im Inneren doch einiges!

Das Gerät kann in Verbindung mit verschiedenen Messonden und anderen Laborgeräten verwendet werden.
Leider findet man im Internet fast keine Informationen zu dem Gerät.
Einzig eine Werbebroschüre ist mir in die Hände gefallen.

Auszug aus dem Prospekt:
Das Strahlungsmeßgerät 20026 hat die Funktion eines Linear-
verstärkers und Analysators sowie eines Zählgerätes mit Im-
puls- und Zeitvorwahl. Es eignet sich in der Kernstrahlungs-
meßtechnik für die Messung von Impulsraten und für die Auf-
nahme von Impulshöhenspektren.

Das Strahlungsmeßgerät 20026 kann vorteilhaft in den ver-
schiedensten Zweigen von Wissenschaft und Technik wie
Medizin, Biologie, Landwirtschaft, Geologie, Industrie und im
Schulwesen eingesetzt werden.

Das System besteht aus den Komponenten:
- Linearverstärker
- Impulshöhenanalysator
- Elektronisch stabilisierte Hochspannungsquelle
- Elektronischer Zähler
- Zeitgeber
- Vorwahlkanal
- Steuerteil

Leider wurde das Gerät in feuchter Umgebung gelagert, weshalb einige Oxidationsschäden aufgetreten sind.
Das ist aber nicht das einzige Problem, dazu später aber mehr.

Ich habe das Gerät hauptsächlich zu Forschungszwecken gekauft um zu erkunden, wie man so etwas in den Anfängen der Digitaltechnik umgesetzt hat.

Das Gerät muss aus den frühen 70er Jahren stammen.
Auf einem der Kondensatoren konnte ich das Jahr 1973 identifizieren.
Das würde auch zu dem Datum des Prospektes (1972) passen.

Wenn man das Gerät öffnet, sieht man den modularen Aufbau.
Alle Funktionen befinden sich auf steckbaren Baugruppen.

Innenansicht mit Steckkarten Steckkarten entfernt Unterseite mit handgeflochtenem Kabelbaum Rückseite mit den Sondenanschlüssen und
weiteren Anschlüssen für Zubehör.

Vorstellung der einzelnen Steckkarten:

Netzteilplatine - Auf ihr befindet sich die
Gleichrichtung und die Regelung.
Die größeren Ladeelkos und Leistungstransistoren
sind im Gehäuse verbaut.
Hochspannungserzeugung - Es scheint sich um einen
Sperrwandler zu handeln.
Die sieben 1MΩ Widerstände dienen der Messung
der Hochspannung.
Analog Karte - Eine Mischung aus
Operationsverstärkern und
einigen TTL Digital Bausteinen.
Frequenzteiler / Zeitgeber
Die Karte ist mit einer großen Stückzahl
D172 JK Flip-Flops bestückt, die offenbar als
Frequenzteiler verschaltet sind.

Kombinierte Anzeige -
und Zählerkarte
Anzeige / Zählerkarte Unterseite
Die vertikal stehenden Bauelemente sind
laut meinen Messungen Diodenarrays.
Detail: Treiber für die Nixie Röhren.
Die Platine mit den Röhren und dazugehörigen
Treibertransistoren ist mit einer als Winkeladapter
benutzten Steckerleiste auf die Zählerplatine gelötet.

Detail: Quarz Im Gegensatz zu modernen Quarzen ist
der Kristall riesig!

Beschreibung der Funktion, sofern ohne Unterlagen möglich:

Die Netzteilplatine stellt verschiedene stabilisierte Spannungen für das gesamte Gerät zur Verfügung.
Alles ist diskret aufgebaut, keine einzige integrierte Schaltung!
Alle Abgänge des Transformators sind über leicht zugängliche Sicherungen an der Rückseite abgesichert.
Leider sind die Sicherungshalter stark korrodiert und haben massive Kontaktprobleme!

Viel schlimmer ist jedoch dass zwei Wicklungen des Netztransformators unterbrochen sind.
Eine Wicklung liefert die Versorgungsspannung für die Nixie Röhren und die andere scheinbar eine Hilfsspannung für das Netzteil.
Anzeichen für eine Überhitzung sieht man dem Transformator äußerlich nicht an.
Aktuell ist das Netzteil daher im Originalzustand leider nicht funktionsfähig zu bekommen.


Geiger-Müller-Zählrohre benötigen eine stabile Hochspannung um zuverlässig zu funktionieren.
Die Hochspannung wird über ein geregeltes Schaltnetzteil erzeugt und nicht aus dem Netztransformator gewonnen.
Das ermöglicht eine Anpassung an alle möglichen Zählrohre!


Die eingehenden Signale werden von den Schaltungen auf der Analog Karte ausgewertet.
Leider kann ich aufgrund fehlender Unterlagen nicht viel zu der Funktion sagen.
Die Karte ist voll mit Operationsverstärkern und einigen TTL ICs.
Die Funktion als Verstärker und Auswerteschaltung ist offensichtlich.


Die nächste Karte ist offenbar der Zeitgeber.
Auf der Karte befindet sich ein schöner klassischer 10KHz Quarz im Röhrengehäuse.
Er ist mit einer Abschirmung versehen und federnd montiert.
Die Frequenz wird mit JK Flip-Flops heruntergeteilt.
Im ganzen Gerät sind Unmengen von D172 = SN7472 / SN5472 Flip-Flops verbaut.
Auch diese Karte funktioniert derzeit scheinbar nicht richtig.
Bei anliegenden 5V hätte ich zumindest das Anschwingen des Quarzes erwartet, was er allerdings nicht tut.
Die Lötseite zeigt, dass einige der ICs getauscht wurden.
Da ich die Geschichte des Gerätes nicht kenne, kann es gut sein, dass das Gerät nach erfolglosen Reparaturversuchen aufgegeben wurde.


Die letzte Karte ist die Zähler und Anzeigeplatine.
Da ich die Karte in jedem Fall wieder in Betrieb setzen möchte, habe ich sie mir genauer angesehen.
Auch hier kommen die genannten Flip Flops zum Einsatz. Jede Zählerstelle wird aus vier dieser Flip Flops gebildet.
Entsprechend beschaltet bilden sie einen Binärzähler.
Die Ausgänge werden auf ein als Inverter / Puffer genutztes NAND Gatter D100 = SN7400 gegeben.

Anstatt den später üblichen KM155ID1 = SN74141 zur Decodierung und Ansteuerung der Nixie Röhren zu verwenden, hat man einen BCD zu Dezimal Decoder mit Dioden Matrixen aufgebaut.
Damit benötigen die Z5730M Nixie Röhren natürlich auch zusätzliche Treiber, was man hier mit diskreten Transistoren und Widerstandsnetzwerken gelöst hat.
Die Transistoren sind so beschaltet, dass sie nicht die volle Betriebsspannung der Nixie Röhren aushalten müssen.
Spannungsfeste Transistoren waren zu der Zeit teuer!
Die Transistoren dürften vom Typ SS 202 (UCE = 120V) sein. Leider ist der Aufdruck schlecht zu entziffern.
Ich weiß nicht, wann der KM155ID1 Baustein in der DDR verfügbar wurde.
Es kann sein, dass das Gerät einfach zu alt für diese "komfortableren" Treiber ist!

Die Ausgänge der Zählerstufen sind zusätzlich auf einen der hinteren Ports geführt, um die Messwerte mit weiteren Geräten auswerten zu können.

Leider bedarf diese Karte auch einer Reparatur.
Die höchstwertige Nixie Röhre zeigt mehrere Ziffern gleichzeitig an.
Das deutet auf einen defekten Treiber hin. Der defekte Transistor war schnell gefunden und durch einen MPSA42 ersetzt.
Leider haben sich damit nicht alle Probleme erledigt.
Es hat sich herausgestellt, dass das zugehörige D100 und ein D172 IC defekt waren. Zum Glück jedoch keiner der Diodenbausteine.

Nachdem ich den D100 durch einen SN7400 ersetzt hatte und einen D172 aus der Zeitgeber Karte "geborgt" habe, funktioniert die Zählerkarte wieder einwandfrei!

Das komplette Gerät wird vermutlich schon aufgrund des fehlenden Zubehörs nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion in Betrieb gehen.

Aktuell ist das Gerät soweit, dass die 5V Schiene des Netzteils wieder arbeitet und das Zählermodul funktioniert.
Die Spannung für die Nixie Röhren kommt von dem bewährten NE555 Nixie Netzteil.

 

 

 

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