EAW P8000 Systemuhr |
Echtzeituhr mal anders ... Computergeschichte |
Ich möchte hier eine besonders kreative und seltene Variante einer Echtzeituhr für Computer vorstellen.
Ende der 90er hatte ich einige Baugruppen einer P8000 Compact Rechenanlage vor der Verschrottung gerettet.
Eine Baugruppe trägt einen Aufbau, der stark nach einer Platine aus einem Wecker aussieht.
Es handelt sich tatsächlich um eine recht eigenwillige Konstruktion einer Echtzeituhr!
Daher hatte ich sie damals schon in meine Sammlung antiker Computertechnik aufgenommen.
Nun (2019) ist mir die Baugruppe wieder in die Hände gefallen und ich habe mich dazu entschlossen, sie mir einmal genauer anzusehen.
Zeit für etwas "reverse engineering"!
Kurz etwas Geschichtliches:
Der P8000 Compact war war ein sogenannter Mehrplatzrechner an den mehrere Terminals angeschlossen werden konnten.
Das Gerät wurde laut Wikipedia in der ehemaligen DDR von dem VEB Elektro-Apparate-Werk (EAW) Berlin Treptow hergestellt.
Es war wohl der letzte von EAW entwickelte Rechner.
Wozu dient eine Echtzeituhr?
Es war früher keine Selbstverständlichkeit, dass ein Rechner nach dem Abschalten seine Uhrzeit + Datum behalten hat.
Echtzeituhren stellen unabhängig vom Betriebssystem die Uhrzeit und einen Kalender Batteriegepuffert zur Verfügung.
Technische Umsetzung:
Es wurden schon relativ früh spezialisierte RTC/RealTimeClock Bausteine (z.B. MC146818) für diesen Zweck entwickelt.
Da der Ostblock noch existierte, hatte man jedoch auf westliche Spezialbauteile nur beschränkt Zugriff.
Spezialbausteine durften in der Regel nicht in Länder des Ostblocks exportiert werden (Stichwort CoCom Liste).
In der DDR wurden offenbar unter der Bezeichnung U13x verschiedene spezielle Uhrenmodule für Industrieanwendungen hergestellt.
Man benutzte einen Chip, wie er für digitale Armbanduhren benutzt wird und montierte ihn auf einer Trägerplatine.
Alle Anschlüsse sind auf Pads herausgeführt, damit man sie einfach extern abgreifen kann.
Auf die Platine kann zu Kontrollzwecken ein LC Display montiert werden. Die Kontakte und Bohrungen hierzu sind auf der Platine gut erkennbar.
Man hat dieses Uhrenmodul auf eine Erweiterungsplatine des P8000 gelötet und mittels Logikbausteinen an den Datenbus des Rechners angebunden!
Der Uhrenbaustein U130 bietet die Funktionen Uhrzeit, Datum und Stoppuhr wie es bei den einfachen Digitaluhren üblich ist.
Das Ganze funktioniert wie folgt:
Über sechs 40098 CMOS Pufferbausteine werden die Segmentausgänge wo normalerweise das LC Display angeschlossen ist abgefragt.
Es werden nicht alle sieben Segmente erfasst, sondern nur fünf. Das genügt zur Erkennung der einzelnen Ziffern.
Von der ersten Stelle der Stunde werden lediglich zwei Segmente erfasst, dafür zusätzlich die Ausgänge für die Datumsanzeige und den Sekundentakt.
Jede Stelle hat eine eigene Busadresse (&hFEF5 - &hFEFF).
Eine weitere Herausforderung ist, dass die Ausgänge kein statisches Signal liefern, sondern eine Wechselspannung!
Das ist nötig, da hier normalerweise ein LC Display angeschlossen wird, welches keine Gleichspannung verträgt.
Also wird zusätzlich der "COM" Ausgang (Gemeinsame Elektrode des LC Displays) abgefragt und mit den Segmentausgängen XOR verglichen!
Liefert das Ergebnis eine 1, ist das Segment aktiv.
Diese Auswertung erfolgt softwareseitig.
Das Stellen der Uhr ist eine deutlich größere Herausforderung!
Es müssen die Eingänge für die drei Stelltasten HT (Haupttaste), VT (versenkte Taste) und ST (Stopptaste) passend angesteuert werden.
Hierzu dient das CMOS Shift Register 4035 (Busadresse &hFEF1), welches die nötigen Bits speichert.
Die Meisten von uns haben schon einmal eine digitale Armbanduhr besessen und die Uhrzeit + Datum eingestellt.
Man muss sich mit den Tasten durch unterschiedliche Modi arbeiten.
Die gesamte Auswertung der Anzeige sowie die aufwändige Stellfunktion muss durch die Software bzw. den Treiber bewerkstelligt werden!
Die Logikbausteine auf der Baugruppe dienen ausschließlich der Ankopplung an den Datenbus.
Auf der Baugruppe befindet sich noch ein 10 poliger EFS Stecker, über den die Tasteneingänge und Versorgungsspannungen des U130 Uhrenbausteins geprüft werden können.
Die vier LED's zeigen nichts an, sondern dienen der Spannungsregelung für den Uhrenbaustein.
Hier eine Beschreibung der Funktionsgruppen:
Detailaufnahme des U130 Uhrenbausteins mit Quarz.
Der eigentliche Chip befindet sich unter dem Klecks Vergussmasse:
Glücklicherweise gibt es inzwischen im Internet diverse Webseiten, die sich mit Computern des ehemaligen VEB Kombinat Robotron beschäftigen.
Das hat die Analyse der Schaltung erheblich vereinfacht.
Besonders wertvoll waren Informationen zu dem zentralen Uhrenbaustein U130 von dieser Seite: http://www.pofo.de/P8000/.
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